Arbeitshilfe Ressourcenmanagement TU Berlin, Fachgebiet Gebäudetechnik und Entwerfen,Prof. Claus Steffan Zusammengestellt von Jörg Lammers, Katja Pfeiffer, Michael Prytula, Mikolaj Szubert © TU Berlin / GtE 2005, falls keine Quellen angegeben |
1. Lebenszyklusanalysen 1.1 Methoden zur Umweltanalyse (Auswahl) 1.1.1 Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) Die UVP ist ein methodisches Instrument zur Entscheidungsfindung mit dem Zweck, die möglichen Auswirkungen eines Projekts auf die Umwelt bei der Entscheidung über die Zulassung berücksichtigen zu können. Sie ist für solche Projekte vorgeschrieben, bei denen der Gesetzgeber davon ausgeht, dass sie zu regelmäßigen erheblichen Umweltauswirkungen (z.B. Flurbereinigungs- und Bauleitplanverfahren) führen. Die zuständigen Behörden können auch in weiteren Fällen eine UVP fordern, wenn eine entsprechende Umwelterheblichkeit vorliegt. Es gibt keine UVP-Prüfung für Produkte. Die UVP besteht aus mehreren, den gesamten Planungsprozess begleitenden Arbeitsschritten. Da es keine einheitlichen Maßstäbe für Umweltverträglichkeit gibt, ist die Bewertung im Sinne eines objektiv nachvollziehbaren Klassifizierungsvorgang kaum leistbar. |
Quelle: A. Lalive d'Epinay: Die Umweltverträglichkeit als eine Determinante des architektonischen Entwurfs, Diss. ETH Nr. 13610, 2000 |
1.1.2 Ökoaudit Bereits 1993 wurde von der EU die Ökoaudit-Verordnung, die Verordnung über die freiwillig Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung, erlassen mit der Auflage, diese in nationales Recht umzusetzen. Ende 1995 hat der Bundesgesetzgeber ein Umweltauditgesetz (UAG) erlassen und durch Verordnungen über Zulassungsverfahren, Gebühren und Beleihung ergänzt. Hintergrund dieser Verordnung, die wie bereits aus der ausführlichen Bezeichnung ersichtlich ein freiwilliges Instrument darstellt, ist die Hoffnung, dass gewerbliche Unternehmen aus marktstrategischen Überlegungen heraus in eine Art Wettbewerb über ökologische Management- und Betriebsstrukturen treten. Eine Verringerung der durch das Unternehmen erzeugten Umweltauswirkungen kann ein wirkungsvolles Werbeargument sein. Ökoaudits können zur internen Schwachstellenanalyse eingesetzt werden und dabei auch ökonomisch relevante Schwachpunkte aufzeigen. Seit der Verabschiedung einer Erweiterungsverordnung im Februar 1998 dürfen in Deutschland auch Dienstleistungsunternehmen Ökoaudits durchführen. Aus Ökoaudits können wertvolle Informationen für die ökologische Umstrukturierung der Wirtschaft auf überbetrieblicher Ebene abgeleitet werden. Das bei erfolgreicher Kontrolle verliehene EU-Zertifikat ist zeitlich befristet und muss spätestens alle 3 Jahre durch weitere Umweltbetriebsprüfungen erneuert werden. Hierdurch soll eine kontinuierliche Verbesserung der Organisationsstruktur, des Managements und der ökologischen Betriebsstrukturen gewährleistet werden. Die Zertifizierung der Überprüfung berechtigt zur Führung eines UmweltGütezeichens im Firmenlogo. 1.1.3 LCA, Ökobilanz Eine Ökobilanz versucht den Schaden an der Umwelt (Öko- und Humantoxikologischen Auswirkungen) zu beschreiben, welcher durch einen Lebenszyklus verursacht wird. Um diesen Schaden beurteilen zu können, muss er mit dem Nutzen verglichen werden. |
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Bestandteile einer Ökobilanz (DIN ISO 14040) Quelle: |
Beziehung der Bestandteile in der Auswertung (Din ISO 14043) zu anderen Phasen der Ökobilanz. Quelle: Graulich, K.: Vom Niedrig-Energiehaus zum Niedrig-Schadstoffhaus, 2000 |
Die inhaltlichen Mindestanforderungen für Ökobilanzen (Life Cycle Assessment LCA) sind von ISO (International Standards Organisation) in folgenden Normen festgehalten:
1.1.4 Produktlinienanalyse Das Öko-Institut Freiburg führte den Begriff der Produktlinienanalyse als Ergänzung zu den Ökobilanzen ein. Die Produktlinienanalyse soll die Ökobilanz um zusätzliche Kriterien aus gesellschaftlichen (soziale Aspekte) und volkswirtschaftlichen (Nutzen-Aspekt) sowie betriebswirtschaftlichen Bereichen erweitern. Es gibt keine gesetzliche Grundlage für die Produktlinienanalyse. Die zusätzliche Analyse des Konsumverhaltens und des Nutzens eines Produktes soll auf Fehlentwicklungen in der Gesellschaft aufmerksam machen und helfen, Alternativen zu finden. Ob jedoch über Bewertungen des Sozialverhaltens ein gesellschaftlicher Konsens gefunden werden kann, erscheint fragwürdig. Die Produktlinienanalyse erweitert die Ökobilanz um den sozialen Aspekt (Nutzen eines Produktes, Käuferverhalten). Gesetzliche Vorschriften, die eine verbindliche Verpflichtung zur Durchführung einer produktorientierten ökologischen Bilanzierung beinhalten, existieren zur Zeit noch nicht. Deshalb sind derzeit existierende Ökobilanzen und Produktlinienanalysen sehr subjektiv und spiegeln oft die Interessen der Auftraggeber wieder. Beide Instrumente können bei genauer Kenntnis des Produktes eine Entscheidungshilfe sein. Betrachtet man sie ohne Hintergrundwissen, können sie zu Fehlentscheidungen führen. Quellen: Wolpensinger, H: Ökobilanzierung im Wohnungs- und Siedlungsbau, 2001 Merl, Adolf: Ökobilanzen, Institut für Tragwerkslehre und Ingenieurholzbau, TUWien 2001 Fallscheer, F.C.: Ökoeffizienter Einsatz von Primär- und Recyclingstoffen für die Papier- und Kartonherstellung, Diss. ETH Nr. 12341, Zürich 1997 sowie eigene Anmerkungen + Ergänzungen, Stand 05.2005 |
1.2 Probleme bei der Bilanzierung 1.2.1 Systemgrenzen, räumlich + zeitlich Räumliche und zeitliche Dimensionen können oft nicht befriedigend dargestellt bzw. erfasst werden, was zu Unsicherheit bei den Ergebnissen führt (z.B. räumliche und zeitliche Merkmale bei Wirkungskategorien). 1.2.2 Datenqualität und Unsicherheit Die Genauigkeit von Ökobilanzstudien kann durch beschränkte Zugänglichkeit oder Verfügbarkeit von relevanten Daten zu begrenzt aussagekräftigen Ergebnissen führen. (Unsicherheitsanalyse erforderlich) 1.2.3 Wirkungskategorien und deren Bewertung Häufig gibt es keine Grenzwerte bzw. keine Anzeigepflicht umweltschädigender Stoffe. Die Wirkungsabschätzung enthält subjektive Elemente, beispielsweise bei der Auswahl, Modellierung und Beurteilung der Wirkungskategorien. Deshalb ist bei der Wirkungsabschätzung die Transparenz entscheidend, um sicher zu stellen, dass die Annahmen eindeutig beschrieben und dargestellt werden. 1.2.4 methodische Verarbeitung der Daten Die gewählte Vorgehensweise und Annahmen einer Ökobilanz können subjektiv sein (z.B. Festlegung der Systemgrenzen, Allokationsmethoden, Auswahl von Datenquellen und Wirkungskategorien usw.) Die zur Sachbilanz oder Wirkungsabschätzung heran gezogenen Modelle können durch die ihnen zugrunde liegenden Annahmen eingeschränkt sein und stehen möglicherweise nicht für alle potentiellen Wirkungen oder Anwendungen zur Verfügung. 1.2.5 Ergebnisse müssen aggregierbar sein aggregierbar = Überführung auf ein höheres Abstraktionsniveau und damit die Möglichkeit schaffen nach bestimmten, ggf. im vorher festgelegte Indikatoren Entscheidungen zu treffen, d.h. zu bewerten. Ergebnisse von Ökobilanzen können wegen ihrer Ausrichtung auf globale und überregionale Aspekte für örtliche und regionale Anwendungen ungeeignet sein. |
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1.3 Ökobilanz (LCA) im Planungsprozess
1.3.1 Ökobilanz auf Ebene der Baustoffe Mangelhafte Datenqualität war im Verlauf der 90er Jahre Anlass, umfangreiche Datensätze zur Herstellung von Baustoffen, zur Energiebereitstellung sowie zu Transport- und Entsorgungsprozessen zu erheben, die eine ökologische Bewertung von Gebäuden und Bauelementen erleichtern sollten. Neben allgemeinen technischen Daten (Dichte, Wärme-, Dampfleitfähigkeit u.a.) wurden zusätzlich die Inhaltsstoffe der untersuchten Bauprodukte charakterisiert. Für den Gesamtprozess, der die Teilprozesse Herstellung (Energieverbrauch, Transporte, Flächenbeanspruchung, Emissionen), Verarbeitung und Entsorgung beinhaltet, wurden die materiellen und energetischen In- und Outputs ausgewiesen und abschließend die Daten zur Wirkungsabschätzung berechnet. In einer Studie des Institut für Industrielle Bauproduktion (ifib) Karlsruhe, der Hochschule für Architektur und Bauwesen (HAB) Weimar und der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich wurden die bilanzierten Emissionen und Ressourcen den Wirkungskategorien Treibhauseffekt, Versauerung, photochemische Oxidation, Überdüngung, Human- und Ökotoxizität sowie Abwärme zugeordnet. Als weitere Kriterien wurden der Verbrauch erneuerbarer und nicht erneuerbarer energetischer Ressourcen und die radioaktive Strahlung radioaktiver Substanzen hinzugezogen. 1.3.2 Ökobilanz auf Ebene der Bauelemente Die gewonnen Daten der Baustoffe wurden bspw. in folgenden Publikationen und Katalogen zu Bauelementen zusammengeführt:
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1.3.3 Ökobilanz auf Gebäudeebene Der Lebenszyklus eines Gebäudes kann von verschiedenen Blickwinkeln aus betrachtet werden. Je nachdem, welche Sichtweise zum Zug kommt, erfolgt die Darstellung des Systems auf eine andere Weise. Zumeist wird von der Energie- und Stoffflussanalyse ausgegangen. Dadurch werden im Lebenszyklus Phasen unterschieden, die auf unterschiedliche Materialflüsse zurückgehen. Andererseits wird ein Lebenszyklus aus dem in der Praxis angewendeten Planungsablauf entwickelt. Diese beiden Ansätze sind stark miteinander verknüpft, beschreiben jedoch sehr unterschiedliche Verfahrensweisen. Die drei wichtigsten Ansätze lauten nach R. Pulli (1998):
Bezüglich der Integration der Lebenszyklusanalyse in den Planungsprozess gab es in den letzten 10-15 Jahren zahlreiche Studien und Forschungsprojekte. Als wichtigste europäische Projekte und Forschungsinstitute sind nach R. Pulli zu nennen:
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"Die Integration über verschiedene Lebenszyklusphasen hinweg führt zur gesamtheitlichen Betrachtung von Vorfertigung, Montage, Wartung, Demontage und Entsorgung. Dies eröffnet die Möglichkeit, die Gesamteffizienz von Bautechniken zu bestimmen und zu optimieren, bevor Gebäude gebaut werden. Die Simulation dieser Vorgänge ist schneller und billiger als ein experimentelles Projekt. In Bezug auf das Verhalten der Gebäude über den Lebenszyklus (der Jahrzehnte dauern kann) ist es die einzige Art der Erkenntnisfindung."
(N. Kohler, ifib) |
Lebenszyklus eines Gebäudes Quelle: REGENER, Methodology of Life Cycle Analysis for buildings, 1997 |
1.3.4 Ökobilanz auf der Ebene von Siedlungsstrukturen Über das System des Gebäudes hinausgehend gibt es Ansätze, die einen erweiterten Bilanzraum der durch Gebäudestrukturen induzierten Stoffströme zu untersuchen. Hierbei finden bspw. folgende Faktoren Berücksichtigung: Standort und Klima, Nutzerverhalten und Lebensstil, Infrastruktur und Mobilität. |
Quellen: Graulich, K.: Vom Niedrig-Energiehaus zum Niedrig-Schadstoffhaus, 2000 REGENER Methodology of Life Cycle Analysis for buildings, 1997 Wolpensinger, H.: Ökobilanzierung von Siedlungen, Diplomarbeit 2002 A. Lalive d'Epinay: Die Umweltverträglichkeit als eine Determinante des architektonischen Entwurfs, Diss. ETH Nr. 13610, 2000 Pulli, R.: Überblick über die Ökobilanzierung von Gebäuden, 1998 Klingle, R.: Integration von lebenszyklusbezogenen Bewertungsmethoden in den Planungsprozess, Diss. UNI Karlsruhe 1999 Konzept zur Einrichtung eines Sonderforschungsbereichs an der UNI Karlsruhe: Integration von Planung und Fertigung im Gebäude-Lebenszyklus sowie eigene Anmerkungen und Ergänzungen, Stand 05.2005 |
1.4 Softwaretools zur Bilanzierung (Auswahl) 1.4.1 GEMIS Steht für Globales Emissions-Modell Integrierter Systeme, eine Datenbank mit Bilanzierungs- und Analysemöglichkeiten für Lebenszyklen. GEMIS umfasst Grunddaten zur Bereitstellung von Energieträgern (Prozessketten- und Brennstoffdaten) sowie verschiedener Technologien zur Bereitstellung von Wärme- und Strom. Neben fossilen Energieträgern, regenerativen Energien, Hausmüll und Uran werden dabei auch sog. Nachwachsende Rohstoffe sowie Wasserstoff in GEMIS behandelt. In die Datenbasis sind nunmehr verstärkt Daten zu Stoff-Prozessketten (vor allem Baumaterialien) aufgenommen und die schon vorhandenen aktualisiert. http://www.oeko.de/service/gemis/de/index.htm |
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1.4.2 LEGEP Das Forschungsprojekt "Lebenszyklus von Gebäuden unter ökologischen Gesichtspunkten" orientiert sich am Planungsprozeß des Architekten. Das Gebäude wird in seine Elemente zerlegt. Diese Elemente werden mit allen notwendigen Informationen (Kosten, Bauphysik, Ökologie, Komfort) ausgestattet. Auf diese Datenbank greifen die Arbeitsprogramme und die Interpretationsprogramme (Kosten/Energie/Ökologie/Komfort) zu. Die Auswertung der Daten und die Darstellung im Präsentationsprogramm zeigt dem Architekten alle notwendigen Informationen zu seinem Entwurf. Verbesserungen des Gebäudes werden Ergebnis orientiert durchgeführt. Die Nutzungsphase des Gebäudes wird über die Elemente zur Pflege, Energieverbrauch, Instandsetzung und Demontage ebenfalls erfasst und dokumentiert. Damit sind auch Aussagen zum Nutzungsaufwand des Gebäudes über einen beliebigen Zeitraum möglich. http://www.aum.de |
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1.4.3 PHVP 2002, PHPP 2004 und Berechnungshilfen der Uni-Kassel Auf Excel basierende Tools zur Berechnung der ENEV, die relativ einfach zu bedienen sind und vergleichsweise anschaulich die Zusammenhänge zwischen Energieverlusten und - gewinnen verdeutlichen. Mit dem PHVP können zusätzlich die U-Werte der Bauteile berechnet werden. http://www.passiv.de/ http://www.bpy.uni-kassel.de/de/ 1.4.4 Anwendung
Wolpensinger, H.: Ökobilanzierung im Wohnungs- und Siedlungsbau, 2001 sowie eigene Anmerkungen und Ergänzungen, Stand 05.2005 1.5 Fallbeispiele "Gebäude-Ökobilanz" |
Anteile der Lebensphasen an verschiedenen Wirkungskategorien |
Anhand der Tabelle wird ersichtlich, dass keine Lebensphase identifiziert werden kann, welche in allen Fallstudien die relevanteste ist. Abhängig von der Datengrundlage und dem Berechnungsmodell, gilt entweder die Erneuerungsphase als die Lebensphase mit dem höchsten Anteil an Umweltbelastung oder der Nutzungsphase wird die höchste Umweltbelastung zugewiesen. Dies kommt im wesentlichem aus folgenden Gründen zustande:
Quelle: Pulli, R.: Überblick über die Ökobilanzierung von Gebäuden, ETH Zürich 1998 |
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