Differenzierung von Nachhaltigkeit Referenten: Jan Bovelet, Nadin Heinrich, Cristoph LauterbachInhaltsverzeichnis |
Distributive Gerechtigkeit Distributive Gerechtigkeit befasst sich mit der gerechten Verteilung der Ansprüche auf (1) Realisierung von Fähigkeiten und Bedürfnisse und (2) Zugang zu Gütern und natürlichen und kulturellen Ressourcen. Dabei besteht das theoretische Anerkennen dieser Ansprüche im Praktischen sowohl im (aktiven) Ermöglichen wie auch im (passiven) Gewähren dieser Ansprüche. Ansprüche können zu komplexen Anforderungen an Handlungssubjekte führen, da manche Güter und kulturelle Ressourcen nicht natürlich vorkommen, sondern hergestellt und erhalten werden müssen, und die Realisierung mancher Fähigkeiten und Bedürfnisse die eines anderen Handlungssubjektes tangieren kann. Diesen komplexen Anforderungen kann man durch die Schaffung von gesellschaftlichen Institutionen (16) und damit verbunden durch die Bildung von Verteilungsregeln, wie eben z.B. einer Nachhaltigkeitstheorie, begegnen. Wenn es zwischen verschiedenen Ansprüchen zu Konflikten kommt, besteht eine gerechte Lösung dieser Konflikte darin, die verschiedenen Ansprüche gegeneinander abzuwiegen und begründend zu priorisieren (17). Je komplexer die Ansprüche sind, desto umfangreicher wird das Set der Alternativen, die in eine Prioritätsreihenfolge gebracht werden müssen. Dabei wird vorausgesetzt, dass alle Handlungssubjekte prinzipiell gleichberechtigt im Formulieren von Ansprüchen sind. Sind Handlungssubjekte nicht in der Lage, ihre Ansprüche angemessen zu formulieren, muss auf Grund des vorhergehenden Gedankens der prinzipiellen Gleichheit aller Handlungssubjekte dafür gesorgt werden, dass ihre Ansprüche advokatorisch formuliert werden. |
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Vgl. Konrad Ott und Ralf Döring, Theorie und Praxis starker Nachhaltigkeit, Marburg 2004, S. 55 Mitte (17) Wie diese Priorisierung gerecht ausgeführt werden kann, ist eine Frage der politischen Gerechtigkeit. |
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Der Umgang der Ökonomik mit der Verteilungsproblematik Wohlfahrtsökonomen gehen in analytischer Art und Weise mit Verteilungsproblemen um. Sie teilen das Problem in zwei Teile: (1) Maximierung der Allokation (2) Verteilung der Produkte Dann soll sich die Ökonomik mit den Fragen der Allokation unter dem Vorzeichen von Optimierungsproblemen auseinander setzen und (2) der politischen Entscheidung der Gesellschaft überlassen. Und die Gesellschaft kann jede Verteilungsregel wählen, die sie für richtig hält. Durch diese Auftrennung blendet die Ökonomie die ethische Seite aus ihrem Arbeitsfeld aus, denn ethische Werte sind nicht quantifizierbar. Bei der Maximierung der Allokation dagegen lassen sich alle Parameter quantifizieren und damit exakt beschreiben. Alle Wünsche, Bedürfnisse, Interessen und Motive werden in Präferenzen zerlegt, aus denen sich dann die Präferenzordnung eines Handlungssubjektes ergibt. Alle diese Präferenzordnungen sind kommensurabel. Allerdings stellt sich die Frage, ob diese Abstraktion geeignet ist, um die Handlungen von Handlungssubjekten adäquat zu formulieren. Mit der Delegierung der Verteilung an gesellschaftliche Institutionen scheidet die Ökonomik aus dem Feld der Kandidaten, die Antworten auf Verteilungsfragen geben könnten, aus. Denn es geht ihr dann nur darum, wie man die Produktion maximiert aber nicht mehr darum, wie man die Produkte verteilt. (18) Damit besteht ein "unhintergehbarer Vorrang der Gerechtigkeit vor der Effizienz" (19). Das Interesse an Gerechtigkeit ist tief und grundsätzlich in der menschlichen Natur angelegt (20). Dazu eine kurze Überlegung. Ökonomik behandelt unter verschiedenen Rationalitätsvoraussetzungen und mit Hilfe von Spiel- und Entscheidungstheorie Wirtschaftsprobleme und damit auch Ressourcenverbrauch. Sie bezieht sich dabei auf folgendes Paradigma: Menschen haben Wünsche, Bedürfnisse, Motive und Interessen. Diese Handlungsmotivationen lassen sich als Präferenzen formulieren. Präferenzen sind sozusagen die kleinsten, stabilen Einheiten des Bewusstseinsstroms von Handlungssubjekten. Nun sind Präferenzen private Informationen, die nicht messbar sind. Die Ökonomik unterstellt, dass die Präferenzen eines Handlungssubjektes sich in seinen Handlungen manifestieren. Dabei sind alle Präferenzen prinzipiell gleichberechtigt. Die Präferenzordnung eines Handlungssubjektes hängt allein von dessen Wünschen, Bedürfnissen, Motiven und Interessen ab. Deshalb müssen Wohlfahrtsökonomen alle Präferenzordnungen als gleichberechtigt anerkennen. Trotzdem lehnen Ökonomen manche Präferenzordnungen als irrational ab, z.B. die Präferenz eines Süchtigen nach einer bestimmten Substanz. Um aber zu begründen, warum diese Präferenzordnung irrational ist, muss man auf einen langfristigen (und in diesem Falle negativen) Effekt verweisen, den die Präferenzbefriedigung auf die Integrität des Handlungssubjektes oder auf die Gesellschaft des Handlungssubjektes hat. Hier wird auf eine Instanz rekurriert, die die Präferenzordnung bewertet, d.h. selbst nicht als Präferenz formuliert werden kann, da man sonst in einen unendlichen Regress geraten würde. Daraus lässt sich ersehen, dass sich innerhalb des ökonomischen Vokabulars nicht alle Wünsche, Bedürfnisse, Motive und Interessen von Handlungssubjekten adäquat formulieren lassen. Deshalb ist die Ökonomik auch nur (21) in der Lage, einen bestimmten Teil von gesellschaftlichen Phänomenen zu behandeln. Die Ökologie dagegen setzt z.B. ihre Schwerpunkte im Umgang mit Verteilungsfragen ganz anders. Ökologische Theorien der Nachhaltigkeit sind meist folgendermaßen strukturiert: (a) Oberstes Gebot ist die Beschränkung der Wirtschaftsaktivität des Handlungssubjektes auf die natürlichen Grenzen der Kapazität seiner Biosphäre. (Wobei die Grenzziehung natürlich eine schwierige Aufgabe ist.) (b) Zweites Gebot ist die gerechte Verteilung der Produkte durch gesellschaftliche Institutionen. (c) Drittes Gebot ist das Gebot der Effizienz. Uneffizientes Handeln soll unterbleiben. Damit wird das Kriterium der Effizienz, das der Ökonomik die erste Priorität ist, zweifach eingeschränkt. Zum ersten durch die Begrenztheit der natürlichen Ressourcen und zum zweiten durch moralische Regeln, die das Zusammenleben normativ strukturieren. |
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(18) "[...] die Ökonomik ist in Verteilungsfragen unzuständig [...]" Konrad Ott und Ralf Döring, Theorie und Praxis starker Nachhaltigkeit, Marburg 2004, S. 45 (19) Konrad Ott und Ralf Döring, Theorie und Praxis starker Nachhaltigkeit, Marburg 2004, S. 44 (20) Vgl. Konrad Ott und Ralf Döring, Theorie und Praxis starker Nachhaltigkeit, Marburg 2004, S. 49 (21) Dieses "nur" ist nicht wertend gemeint; es bedeutet lediglich "nicht alle". Die Ökonomik spielt eine wichtige Rolle im Zusammenleben der Menschen, sie sollte sich jedoch ihrer Rolle von einer unter anderen Disziplinen bewusst sein. |
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Verteilungsmaßstab Die nächste Frage, der sich die Konzeption einer Nachhaltigkeitstheorie stellen muss, ist die Frage, ob sie Anerkennung der Ansprüche von Handlungssubjekten anhand eines (1) absoluten oder eines (2) komparativen Standards bemisst. Ein absoluter Standard wäre die Festsetzung eines bestimmten Maßes anerkannter Ansprüche, anhand dessen man die Ansprüche eines Handlungssubjektes bemessen könnte, vergleichbar z.B. mit dem Feststellen einer Länge anhand des Vergleiches mit dem Meter in Paris. Ein komparativer Verteilungsmaßstab dagegen würde die anzuerkennenden Ansprüche von Handlungssubjekten in Relation zur Anerkennung von Ansprüchen anderer Handlungssubjekte bestimmen. Beide Positionen haben ihre Probleme. Ein absoluter Standard läuft Gefahr für manche Handlungssubjekte der Gegenwart und/oder der Zukunft unangemessen zu sein bzw. zu werden und zwar nach oben oder nach unten hin. Wenn man bestimmte Grundansprüche festsetzt, die die Bedingung eines guten Lebens sind, kann es passieren, dass sich die aktuellen oder zukünftigen Bedingungen so ändern, dass das Grundanspruchs-Kontingent entweder zu hoch oder zu niedrig angesetzt ist. Wenn z.B. durch Bevölkerungswachstum eine Verknappung der Anerkennbarkeit von Ansprüchen entstünde, könnte die Garantie auf die Grundansprüche nicht mehr eingelöst werden. Wenn andererseits durch irgendwelche Ereignisse mehr Ansprüche anerkannt werden könnten, würden alle sich mit weniger begnügen, als zur Verfügung stünde, und das hieße u. a., dass sie die Möglichkeiten, über die sie verfügen, nicht entfalteten. Außerdem war und ist die Definition von Grundansprüchen problematisch. Die Schwierigkeit liegt darin, dass diese sozusagen ständig aktualisiert und neu bewertet werden müssen. Ein komparativer Verteilungsmaßstab dagegen kann zur Anerkennung von Ansprüchen führen, die mit einem guten Leben nichts mehr zu tun haben. Wenn sich die Anerkennung der Ansprüche eines Handlungssubjektes allein an den Ansprüchen anderer bemisst, dann spricht nichts dagegen, dass es allen Handlungssubjekten gleich schlecht geht. Außerdem ist die Motivation von Ansprüchen fraglich, die sich auf die Anerkennung von Ansprüchen anderer beziehen. |
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Wenn man z.B. in einer Nachhaltigkeitstheorie die zukünftigen Generationen vor der aktuellen privilegieren würde, könnte das dazu führen, dass die politische Akzeptanz der aktuellen Generation so weit sinken würde, dass die Gesellschaft die Maßnahmen zur Herstellung von nachhaltigen Strukturen nicht mehr tragen würde. (23) Ott und Döring bemerken dazu, es "weder durch ein logisches noch durch ein Naturgesetz ausgeschlossen [ist], allen Menschen ein kultiviertes Leben in Freiheit bei gleichzeitigem Erhalt des natürlichen Kapitals zu ermöglichen." Konrad Ott und Ralf Döring, Theorie und Praxis starker Nachhaltigkeit, Marburg 2004, S. 64 (24) Konrad Ott und Ralf Döring, Theorie und Praxis starker Nachhaltigkeit, Marburg 2004, S. 66 Wobei wir die "Unparteilichkeit" mit unserer Formulierung der "Gleichheit aller Handlungssubjekte" gleichsetzen. (25) Vgl. Konrad Ott und Ralf Döring, Theorie und Praxis starker Nachhaltigkeit, Marburg 2004, S. 66 (26) In der Literatur unter dem Schlagwort "levelingdown" bekannt. Dies ist ein generelles Problem von Konzeptionen, die die Gleichheit, oder doch zumindest die Einschränkung der Ungleichheit von Handlungssubjekten einfordern. Denn wenn eine Konzeption die Gleichheit aller Handlungssubjekte als Wert an sich einfordert, dann spricht nichts dagegen, dass es allen zusammen schlechter geht. Um diesen Effekt auszuschalten muss man ein weiteres Prinzip einführen. So etwas wie einen Grundstock an sozialen Ansprüchen. |
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Verteilungsarten Die Verteilungsarten, die die Gesellschaft wählen kann, sind nun entweder: (1) egalitär oder (2) nicht-egalitär Nach (1) werden die Güter, Möglichkeiten und Zugänge gleich verteilt. Nach (2) ist auch eine Ungleichverteilung zulässig. Beide Alternativen haben jeweils Vor- und Nachteile; die verschiedenen Positionen, die sich aus (1) und (2) entwickeln lassen, sind deshalb so umstritten, weil sie die Interessen von Gruppen in ganz unterschiedlichen Umständen treffen und damit unterschiedlich bevor- oder benachteiligen. So kann man z.B. davon ausgehen, dass in einer feudalen Gesellschaft bei Einführung einer egalitären Verteilungsart die Befürworter mehrheitlich in der besitzlosen Schicht zu finden wären, während die Gegner sich wohl hauptsächlich aus der Schicht der Grundbesitzer rekrutieren würden. |
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Verteilungsmuster Es gibt drei grundlegende Verteilungsmuster: (1) Parität (2) Proportionalität (3) Priorität Parität ist das einzige egalitäre Verteilungsmuster. Dabei werden alle Ansprüche in gleichem Maße anerkannt. Proportionalität lässt eine nicht-egalitäre Verteilung zu, weil verschiedene Ansprüche aufgrund von bestimmten Momenten verschieden bewertet werden können, beispielsweise aufgrund eines bestimmten Verdienstes. Priorität erlaubt nicht-egalitäre Verteilung, weil bestimmte Ansprüche größer sein können als andere, z.B. aufgrund von Geburtsrecht. Gerechtigkeitstheorien müssen dem Kriterium der Konsistenz genügen, weil sonst nicht sichergestellt wäre, dass sie allgemein gültig sind, d.h. in unserem Fall, dass sie sowohl intra- wie auch intergenerationell gültig sein müssen. Wenn eine Nachhaltigkeitstheorie beispielsweise ein bestimmtes lokales oder temporales Handlungssubjekt benachteiligen würde, wäre sie nicht nachhaltig für alle Handlungssubjekte (22). Im Zusammenhang mit der Prioritätsrangfolge einer ökologischen Nachhaltigkeitstheorie entstehen daraus Fragen an die Möglichkeit der Einhaltung des obersten Gebotes (Wirtschaften in den natürlichen Grenzen der Biosphäre). Denn wenn Gerechtigkeit für alle Handlungssubjekte bestehen soll, ist nicht klar, ob das bei progressivem Bevölkerungswachstum möglich ist oder nicht. (23) Die Frage ist nun, welches der drei Verteilungsmuster man in Verbindung mit dem Grundsatz der Gleichheit aller Handlungssubjekte für eine Theorie der Nachhaltigkeit in Anschlag bringt. Döring und Ott privilegieren die "Verbindung aus Unparteilichkeit und der Idee der proportionalen" (24) Verteilung. Die Verteilung kann allerdings auch paritätisch geregelt werden. Von hier aus wollen sie nun eine Nachhaltigkeitstheorie entwickeln, wobei sie methodisch ex negativo von Fällen ausgehen wollen, die von der Mehrheit auf Grundlage der Gleichheit aller Handlungssubjekte als ungerecht bewertet werden. Aufgrund dieser einfachen Fälle sollen die komplexen Fälle distributiver Gerechtigkeit diskutiert werden. (25) Zusammenfassend: Die Anerkennung von Ansprüchen soll also vor dem Grundsatz der Gleichheit aller Handlungssubjekte erfolgen, die tatsächliche Verteilung der Anerkennung der Ansprüche einzelner Handlungssubjekte kann aber aufgrund von bestimmten Verhältnissen sowohl proportional wie auch paritätisch oder in anderen Worten nicht-egalitär wie auch egalitär ausfallen. Was können nun Faktoren sein, die zu einer Akzeptanz von ungleicher Verteilung führen? Ein Argument gegen ein ausschließlich egalitäres Verteilungsmuster ist die faktische Ungleichheit von Handlungssubjekten. Handlungssubjekte sind zu unterschiedlichen Leistungen bereit und fähig, deshalb sollte in ein gerechtes Verteilungsmuster auch die unterschiedliche Anerkennung von Ansprüchen nach dem Leistungsprinzip und die unterschiedliche Anerkennungswürdigkeit aufgrund von unterschiedlichen Ausgangsbedingungen zulassen, denn sonst müsste man umgekehrt dafür sorgen, dass alle Handlungssubjekte die gleichen Ansprüche (A1 und A2) haben, was u. a. dazu führen könnte, die Fähigkeiten von Handlungssubjekten zu beschneiden (26), damit sie anderen gegenüber nicht bevorteilt werden. Diese Maßnahme wäre in hohem Maße kontraintuitiv. |
Einschränkung/Modifikation der Verteilungsmuster Wenn man dazu kommt, dass eigentlich eine egalitäre Verteilungsart angemessen wäre, andererseits aber aufgrund von faktischen Unterschieden von Handlungssubjekten manchmal auch eine nicht-egalitäre Verteilung angemessen ist, dann muss man beide Verteilungsarten ermöglichen. Der Knackpunkt dabei ist, beide Verteilungsarten so aufeinander abzustimmen, dass sie gut zusammen funktionieren. Eine zu starke Betonung der egalitären Verteilungsart ist ebensowenig konstruktiv wie eine Überbetonung der nicht-egalitären, man denke z.B. an eine stark kommunistische Verteilung im Gegensatz zu einer kapitalistischen Verteilung neoklassischer Prägung. Eine Möglichkeit, mit dem Dilemma umzugehen ist, eine Kombination von egalitärer und nicht-egalitärer Verteilungsart zur Grundlage einer gerechten Nachhaltigkeitskonzeption zu machen. Das würde bedeuten, dass man einen "anspruchsvoll definierten absoluten Standart" (27) als Grundstock von sozialen Ansprüchen einführt, darüber hinaus aber eine nicht-egalitäre Verteilung aufgrund von anderen Prinzipien, wie z.B. dem Leistungsprinzip, zulässt. Damit würde sich die Anerkennung von Ansprüchen zwar in Relation zu anderen Handlungssubjekten bestimmen, durch die (gedeckelte) proportionale Verteilung von Anerkennung wäre es aber trotzdem möglich, Ansprüche oberhalb des Grundstock-Niveaus anzuerkennen. In der Theorie gibt es einige solcher Versuche, die mit Einschränkungen von nicht-egalitärer Verteilung arbeiten, z.B. mit dem Prinzip der Pareto-Optimalität oder einem Effizienzkriterium o. a. Um auch einem proportionalen Verteilungsmuster Platz einzuräumen, orientieren sich Ott und Döring an Rawls Differenzprinzip, das sie mit ihren Worten folgendermaßen fassen: "soziale und ökonomische Ungleichheiten [sind] nur dann gerechtfertigt [...], wenn es den Schlechtgestelltesten dadurch besser geht." (28) Durch diese Einschränkung der nicht-egalitären Verteilung soll sichergestellt werden, dass Verteilung nach dem Leistungsprinzip zwar möglich ist, aber nicht auf Kosten derjenigen Handlungssubjekte, die aus irgendwelchen Gründen nicht zu der gleichen Leistung fähig oder bereit sind. Das Differenzprinzip sorgt zwar für ein Maximum des sozialen Minimalstandards, lässt aber nach obenhin eine unbeschränkte Allokation einiger weniger Handlungssubjekte zu. Deshalb ist es nicht geeignet, die Unterschiede in der Anerkennung von Ansprüchen verschiedener Handlungssubjekte (29) zu limitieren. Da aber die Unterschiede, wenn sie zu groß werden, der Entfaltung der Prinzipien von Nachhaltigkeit entgegenwirken können, beispielsweise in Bezug auf die "politischen Anerkennungsverhältnisse" (30), muss das Differenzprinzip eingeschränkt werden, um die intragenerationellen Unterschiede zwischen den Handlungssubjekten moderat zu halten. Dies könnte z.B. durch eine absolute oberste Grenze der Allokationsmöglichkeit geschehen. (31) |
(27)
Vgl. Konrad Ott und Ralf Döring, Theorie und Praxis starker Nachhaltigkeit, Marburg 2004, S. 78 (28) Konrad Ott und Ralf Döring, Theorie und Praxis starker Nachhaltigkeit, Marburg 2004, S. 69 (29) Als Beispiele seien die sogen. "Schere zwischen arm und reich" oder das Nord-Süd-Gefälle erwähnt. (30) Konrad Ott und Ralf Döring, Theorie und Praxis starker Nachhaltigkeit, Marburg 2004, S. 72 (31) Was aber auch wieder problematisch wäre, denn dadurch könnte die Entwicklung von Handlungssubjekten auch in Bereichen eingeschränkt werden, in denen eine Entwicklung wünschenswert ist. |
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2. Starke versus schwache Nachhaltigkeit 2.1 Einführung Nach der Untersuchung über die theoretischen Grundlagen der Nachhaltigkeitsdebatte widmet sich dieses Kapitel der differenzierten Betrachtung der verschiedenen Positionen innerhalb dieser Diskussion. Die entwickelte Schemavorlage dient dabei als "Folie", um die unterschiedlichen Konzepte von Nachhaltigkeit miteinander in Beziehung setzen zu können. Die Extrempunkte der verschiedenen Nachhaltigkeitskonzeptionen werden markiert durch: (a) sehr schwache Nachhaltigkeit: orientiert am Kriterium des kontinuierlichen Wachstums des BSP (b) sehr starke Nachhaltigkeit: unter Anerkennung des moralischen Selbstwertes von Naturwesen Die einzelnen Positionen können jedoch nicht als grundsätzlich kontinuierliche Variation EINES zugrunde liegenden Prinzips aufgefasst werden, da manche Annahmen der jeweiligen Konzeption sich gegenseitig ausschließen. Einer der Hauptvertreter des Konzeptes der schwachen Nachhaltigkeit ist Robert Solow, der in 1974 in seinem berühmten Vortrag "The Economics of Resources or the Resources of Economics" seine Position aufzeigte. Herman Daly konterte, indem er 1996 seine Konzeption einer starken Nachhaltigkeit zusammenfassend erläuterte. Inzwischen gilt die Position der schwachen Nachhaltigkeit allgemein als nicht mehr zu verteidigen. Doch auch für die starke Nachhaltigkeitskonzeption gibt es Konzessionen und Einwände, sodass viele Wissenschaftler (u.a. Ott und Döring) heute für ein modifiziertes Konzept starker Nachhaltigkeit plädieren. |
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Die "richtige" Struktur "kollektiver Hinterlassenschaften" als Schlüsselbegriff Ihrer Verpflichtung gegenüber zukünftigen Generationen kommt die gegenwärtige nach, indem sie "kollektive Hinterlassenschaften" bildet. Schwache wie auch starke Nachhaltigkeit erkennen diese intergenerationelle Verpflichtung gemäß einem komparativ-egalitäre Standard an: Zukünftigen Generationen soll die Möglichkeit, ein "gutes Leben" zu verwirklichen, gewehrt werden. Hinsichtlich der "richtigen" Struktur fairer kollektiver Hinterlassenschaften unterscheiden sich die verschiedenen Nachhaltigkeitskonzeptionen jedoch grundsätzlich. |
(32) Der Begriff Naturkapital kann weiter differenziert werden, z. Bsp. in: (a) sich selbst erneuernde und nicht-erneuerbare Ressourcen, (b) Naturkapital und kultiviertes, durch menschliche Tätigkeiten überformtes Naturkapital. |
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2.2 Schwache Nachhaltigkeit 2.2.1 Theoretische Rahmung Das Konzept der schwachen Nachhaltigkeit geht grundsätzlich von einer Substituierbarkeit von Natur- durch Sachkapital aus und begründet dies mit verschiedenen Argumenten: "non-declining utility rule" Eine der grundlegenden Forderungen des Konzeptes schwacher Nachhaltigkeit lautet: Der durchschnittliche Nutzen zukünftiger Personen muss mindestens dem heutigen Durchschnittsnutzen entsprechen und dauerhaft erhalten werden können. Dabei ist es unerheblich, wodurch der Nutzen gestiftet wird. "Nutzen" ist nur ein Platzhalter für all die Begriffe, die zum Ausdruck bringen, "was für den Menschen gut ist". Nutzen entsteht entsprechend der ökonomischen Lehre immer dann, wenn Präferenzen realisiert werden. Nutzen wird als Funktion von Konsum definiert. Konsum wiederum ist ein vielschichtiger Begriff, der neben der materiellen auch die verbrauchsneutrale, immaterielle Konsumption (33) einschließt. Um jedoch in der Ökonomik eine Monetarisierbarkeit und Berechenbarkeit gewährleisten zu können, wird der Konsumbegriff eingeschränkt und mit dem Kauf von Waren gleichgesetzt. Gilt bezüglich der intergenerationellen Gerechtigkeit das Mindestgebot der Aufrechterhaltung des heutigen Durchschnittsnutzens und wird zugleich der Konsumbegriff auf Waren und Dienstleistungen reduziert, so muss vor allem in die Kapitalbestände investiert werden, die derartige Nutzströme erzeugen: d.h. in Sachkapital. |
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z.B. Konsum als Naturerfahrung: ein schöner Ausblick, das Beobachten eines Sonnenuntergangs, der "Konsum" der Nähe eines anderen Menschen |
Sukzessive Anpassung zukünftiger Präferenzen Im Konzept schwacher Nachhaltigkeit wird häufig angenommen, dass sich zukünftige Präferenzen sukzessive an eine zukünftige Welt anpassen werden. Würde Natur - weitgehend durch Sachkapital ersetzt werden, würden sich die Präferenzen der Menschen auch immer weniger an Naturkapital orientieren. Hierbei besteht jedoch ein grundsätzliches Problem: Weder dürfen Ökonomen Präferenzen vorschreiben, noch können sie genaue Voraussagen, sondern nur Annahmen über die Präferenzen zukünftiger Generationen treffen. |
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Jedoch ist diese Annahme meist nur theoretisch herleitbar. Oft wird auf die Vergangenheit und auf bestehende Substitutionsmöglichkeiten hingewiesen. Dabei hat sich der Substitutionsoptimismus am Musterbeispiel der Substitution von Rohstoffen und Energieträgern orientiert. Problematisch wird diese Annahme bei einer Verallgemeinerung auf sämtliche Naturgüter. |
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Portfolio-Perspektive Die verschiedenen Kapitalbestände der Gesellschaft werden entsprechend der schwachen Nachhaltigkeitskonzeption unter einer Portfolio-Perspektive betrachtet. Dabei ist das Naturkapital im "Portfolio" der Gesellschaft nur einer von mehreren Posten, die zum menschlichen Wohlergehen beitragen. Im Hinblick auf die gewinnmaximierende Absicht ist es zulässig, Verschiebungen im Portfolio vorzunehmen. Der Portfolio-Manager entscheidet unter dem konzeptionellen Zwang der Effizienz über Substitutionsmöglichkeiten im Portfolio. Der Erhalt von Naturkapital muss sich so gegenüber anderen Ertragsarten behaupten. Ist dieser Nachweis nicht zu erbringen, scheint es entsprechend der Effizienzkriterien ökonomisch rationaler, Entscheidungen für die Substitution von Naturkapital zu treffen. |
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Mechanische und atomistische Naturauffassung Der Substitutionsoptimismus wird außerdem geprägt durch eine mechanische und atomistische Naturauffassung, in der Neuzeit entwickelt vor allem von Descartes, Bacon, Marx und Kant: Die äußere Natur wird als wertfreie Objektivität, widerständige Materie, unerschöpfliche oder knappe Ressource begriffen und demzufolge als Gegenstand von Erkenntnis, Substrat technologischer Manipulation und produktiver Aneignung. Die Eigenschaften dessen, was als "Materie" oder "Stoff" aufgefasst wird, sind unerheblich im Vergleich zu den wertbildenden Eigenschaften, die Menschen dem Stoff durch Arbeit oder Technik hinzufügen. Natur ist nichts als Rohstoff. Der Sonderstatus des Lebendigen gegenüber der anorganischen Materie wird nicht mehr angemessen gewürdigt. Indefinite Substituierbarkeit impliziert schließlich, dass es nichts in der außermenschlichen Natur geben kann, das über den Preis erhaben ist. Somit wird in der Konzeption schwacher im Gegensatz zur starken Nachhaltigkeit der moralische Selbstwert von Naturwesen nicht anerkannt. |
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Technikoptimismus
Des Weiteren wird der Substitutionsoptimismus der schwachen Nachhaltigkeitskonzeption dadurch gerechtfertigt, dass in allen Fällen eine Substitution natürlicher Ressourcen durch technologischen Fortschritt möglich sein wird. (34) Dabei vertrauen Ökonomen auf folgendes Denkschema: Preise spiegeln Knappheit adäquat wieder. Steigen die Preise als Folge der Verknappung einer Ressource beginnt ein Suchprozess nach Substituten. Grundlegend ist die Annahme, dass diese Suche immer erfolgreich sein wird: Im Verlauf der Zeit wird eine neue Technologie am Markt konkurrenzfähig, setzt sich durch und verbreitet sich. Knappheit kann demnach auftreten. Unlösbare Knappheitsprobleme wird es jedoch nicht geben, da der Preismechanismus als Auslöser für den Suchprozess wirkt. Die aus der Vergangenheit hergeleitete Annahme, man habe bisher immer das entsprechende Substitut gefunden und wird es also auch in Zukunft finden, ist jedoch durch die bereits erwähnte Induktionsproblematik logisch nicht herleitbar. Diese Formulierung entspricht lediglich einer Vermutung über die Zukunft. |
2.2.2 Substitution Entscheidend für intergenerationelle Gerechtigkeit aus dem Blickwinkel des Konzeptes der schwachen Nachhaltigkeit ist der konstante summative Gesamtbestand an Kapitalien und nicht deren konkrete Struktur. In der ökonomischen Literatur werden die Bedingungen für die Substituierbarkeit von Natur- durch Sachkapital meist in Modellen mit unbegrenztem Zeithorizont (35) und ohne technischen Fortschritt untersucht. Die entscheidende Größe ist die Substitutionselastizität ". Sie definiert das Ausmaß der Substitutionsmöglichkeit von Natur- durch Sachkapital. Je höher der Wert der Substitutionselastizität ist, um so leichter können beide Faktoren gegen-einander eingesetzt werden. Auf die spezifischen Produktionsfunktionen (36), d.h. ökonomische Rechenmodelle, genauer einzugehen, würde an dieser Stelle den Rahmen der Ausarbeitung sprengen. Da sich die Spannbreite von schwachen über vermittelnde bis hin zu Konzeptionen starker Nachhaltigkeit im Wesentlichen darin unterscheidet, in wie weit Natur durch Sachkapital ersetzt werden kann, soll hier ein Überblick über das Ausmaß der Substitutionsmöglichkeit anhand der Substitutionselastizität " gegeben werden (37): σ > 1: Die natürliche Ressource kann vollständig substituiert werden. Die Ressource ist im Grunde unnötig. Das Konsumniveau kann ohne diese Ressource erhalten werden. σ = 1: Unter bestimmten Bedingungen ist das Naturkapital nicht wesentlich, um um ein positives Produktions- und Konsumniveau im Zeitablauf aufrecht erhalten zu können. Das maximale Produktionsniveau wird dann erreicht, wenn die Ressourcenrenten, d.h. die Entlohnung des Ressourceninhabers, aus dem Einsatz von Naturkapital vollständig in Sachkapital reinvestiert werden. 0 < σ < 1: Die natürliche Ressource ist essentiell. Die Frage ist, wie gering der Beitrag der Ressource zur Produktion werden kann und ob durch technischen Fortschritt eine Substitution möglich wird. Ansonsten würde das Produktions- und Konsumniveau im Laufe der Zeit auf Null absinken. Diese Annahme für die Substitutionselatizität betrifft die Mehrzahl aller natürlicher Ressourcen. σ = 0: Natur- und Sachkapital stellen perfekte Komplemente dar und können nicht substituiert werden. Die indefinite Substitution von Natur- durch Sachkapital wird inzwischen auch von vielen Ökonomen zurückgewiesen. Konzepte schwacher Nachhaltigkeit mit gewissen Konzessionen an eine nicht indefinite Substitution müssten demnach die Substitutionselastizitäten der unterschiedlichen Arten der Naturkapitalbestände ermitteln. Außerdem ist anzunehmen, dass sich kleinere Einbußen an Naturkapital leichter substituieren lassen als komplette und irreversible. |
(35) Auch wenn diese Rechenmodelle mit dem Unendlichkeitszeichen arbeiten gilt dennoch die schweigende Annahme, dass sie einen Zeitraum von 50 bis 60 Jahren umfassen. (36) Erwähnt sei hier nur die Cobb-Douglas-Funktion als eine der am häufi gsten verwendeten Produktionsfunktionen. (37) nach Konrad Ott und Ralf Döring, Theorie und Praxis starker Nachhaltigkeit, Marburg 2004, S. 112 |
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2.2.3 Kompensation Aufbauend auf den Substitutionsoptimismus wird hinsichtlich der intergenerationelle Gerechtigkeit davon ausgegangen, dass zukünftige Verlierer von Umweltveränderungen angemessen entschädigt werden können. Der Verlust an Naturkapital soll durch die verbesserte Produktion von Konsumgütern und Dienstleistungen einschließlich kultureller Angebote ersetzbar sein. Dass die Benachteiligten entschädigt werden sollen, ist ein Grundsatz der korrektiven Gerechtigkeit, der hier vorausgesetzt wird. Neben den bereits angesprochenen Problemen bzw. widersprüchlichen Annahmen, die dem Substitutionsoptimismus der Konzeption schwacher Nachhaltigkeit zu Grunde liegen, stellt sich hier wiederum das "Präferenzen-Problem". Es wird vorausgesetzt, dass die zukünftigen Empfänger der Kompensation mit dieser einverstanden sein werden, wenn ihr Nutzen dadurch anwächst oder zumindest nicht absinkt. Die Bedürfnisse zukünftiger Generationen sind jedoch unbekannt. Es können nur Annahmen darüber getroffen werden. Und Ökonomen dürfen keine Präferenzen vorschreiben. Unter diesen Gesichtspunkten ist es schwierig, den fortschreitenden Naturverbrauch mit der möglichen Kompensation durch Geld, Waren oder Dienstleistungen zu rechtfertigen. |
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(38) Da eine Vertiefung in ökonomische Rechenmodelle wiederum den Umfang dieser Ausarbeitungen sprengen würden, nehmen wir diese Aussage so an. Für eine weiterführende Erläuterung des Verfahrens der Diskontierung siehe Konrad Ott und Ralf Döring, Theorie und Praxis starker Nachhaltigkeit, Marburg 2004, S. 121 ff. Uns interessiert hier vor allem die Einbindung der Nachhaltigkeitskonzeption in eine allgemeine Theorie von Gerechtigkeit und der daraus resultierende Konflikt hinsichtlich der intergenerationellen Verpflichtungen. (39) Vgl. Konrad Ott und Ralf Döring, Theorie und Praxis starker Nachhaltigkeit, Marburg 2004, S. 123 (40) Mittels der sozialen Diskontrate werden bei öffentlichen Investitionsentscheidungen langfristige Kosten und Nutzen abdiskontiert. (41) Diese Regel gilt unabhängig davon, welches Nachhaltigkeitskonzept gewählt wird. (42) Vgl. Konrad Ott und Ralf Döring, Theorie und Praxis starker Nachhaltigkeit, Marburg 2004, S. 127 |
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2.2.4 Diskontierung Die vom Konzept schwacher Nachhaltigkeit geforderte Einhaltung des "non-declining utility rule"muss mit dem Ziel der Maximierung des "net present value" (NPV), der Maximierung des Gegenwartswertes, konsistent verknüpft werden. Dafür spielt die Diskontierung eine entscheidende Rolle. Die Diskontierung ist ein Routineverfahren in der Ökonomik, um Kosten und Nutzen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallen, miteinander vergleichen zu können. Alle Zahlenwerte werden auf den Zeitpunkt "Null" bezogen, unabhängig davon, wie weit sie in der Zukunft liegen. Über zukünftige Werte bzw. Preise können dabei noch keine genauen Aussage getroffen werden. Das übliche Verfahren der Diskontierung erweist sich dabei für rein monetäre, kurzfristige Kosten und Nutzen als unproblematisch. Es bewirkt jedoch eine starke Minderschätzung weit in der Zukunft liegender Ereignisse (38) und tritt damit in Konflikt mit dem in der Nachhaltigkeitsidee verankerten Anspruch der intergenerationalen Gerechtigkeit. Von Vertretern der schwachen Nachhaltigkeit werden dennoch Gründe angeführt, die die Diskontierung aus deren Sicht rechtfertigen (39): (1) Individuen besitzen eine Zeitpräferenzrate, d.h. sie ziehen Konsum heute dem Konsum morgen vor. (2) Durch anhaltendes Wirtschaftswachstum geht es zukünftigen Generationen besser, so dass aus Gründen intergenerationeller Gerechtigkeit diskontiert wird, da so die heutige Generation mehr konsumieren kann. (3) Es besteht Unsicherheit über zukünftigen Entwicklungen und über die Präferenzen zukünftiger Generationen. Zu (1): Die Zeitpräferenzrate beruht auf der Annahme, dass Individuen myopisch, d.h. ungeduldig sind: Ein Güterbündel heute wird einem Güterbündel morgen vorgezogen. Myopisches Verhalten könnte jedoch aufgrund der fehlenden Konsummöglichkeit morgen bereut werden. Solange sich die Diskontierung zukünftiger Nachteile für ökonomisch rational handelnde Individuen nur auf deren individuelle Lebensplanung bezieht, ist dies auch moralisch kein Problem. In der Ökonomik wird das Konzept der individuellen Myopie jedoch auf die gesamte Gesellschaft übertragen. Dabei weicht man vom Individualismus ab. Es wird ein unendlich lang lebendes, myopisches Individuum unterstellt, welches eine Gesellschaft vieler Individuen repräsentiert, um daraus die "soziale Diskontrate" (40) abzuleiten. Die Minderschätzung der Wohlfahrt zukünftiger, anderer Individuen wird so zu einer myopischen Minderschätzung des zukünftigen, eigenen Zustandes. Genau hierin liegt die Unzulässigkeit: eine zukünftige Person als einen eigenen zukünftigen Zustand zu modellieren. Zu (2) In der Ökonomik wird Wachstum mit der Zunahme des Konsumgüterangebotes gleichgesetzt. Die Annahme eines anhaltenden Wirtschaftswachstums ist somit an die Annahme eines stetigen Zuwachses an materiellen Gütern und Konsumchancen gekoppelt. Bezogen auf die Behauptung, Diskontierung erzeuge intergenerationelle Gerechtigkeit, dürfte demnach nur dasjenige abdiskontiert werden, das in Zukunft reichhaltiger vorhanden ist als zum gegenwärtigen Zeitpunkt, d.h. primär Sachkapital. Viele Elemente des Naturkapitals, die in Zukunft wahrscheinlich knapper sein werden als gegenwärtig, dürften nicht abdiskontiert, sondern müssten sogar mit einer negativen Diskontrate versehen werden. Der Einsatz der Diskontierungstechnik ist somit abhängig von Prognosen und Szenarien über sich verändernde Knappheiten verschiedener Güter. Zu (3): Das dritte Argument bezieht sich zum Einen auf die Unsicherheit der Konsequenzen unseres Tuns auf zukünftige Generationen, zum Anderen auf die Ungewissheit hinsichtlich deren Präferenzen. Es kann nicht mit letzter Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Folgen heutiger Handlungen den Menschen zukünftiger Generationen in genau demselben Maße Schaden zufügen würden wie den Menschen heute. Aus dieser Ungewissheit lässt sich eine "Begründungslastregel" (41) ableiten: Wer irgend etwas Zukünftiges diskontieren möchte, hat die Darlegungslast, dass die Diskontierung unter den Aspekten "What? Why? How? Who?" mit den Prinzipien und Standards intergenerationeller Gerechtigkeit zu vereinbaren ist. (42) Es ergibt sich daher nicht die zwingende Notwendigkeit, Diskontierung hinsichtlich der intergenerationellen Verpflichtung generell abzulehnen. Vielmehr ist anstatt von Standard-Diskontraten eine differenzierte Betrachtung notwendig. Die Art und Weise der Diskontierung sollte abhängig gemacht werden von den einzelnen Kapitalbeständen, deren Knappheit etc. |
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2.3 Starke Nachhaltigkeit 2.3.1 Theoretische Rahmung In der Konzeption der starken Nachhaltigkeit, die zur Ökologischen Ökonomik i.w.S. zählt, wird das menschliche Wirtschaftssystem nur als ein Teilsystem der umfassenden, durch den Aufbau negentropischer Strukturen gekennzeichneten Geo- und Biosphäre betrachtet. Von diesen negentropischen Strukturen ist die Ökonomie hinsichtlich der Ressourcenverfügbarkeit abhängig. Grundsätzlich fragt das starke Nachhaltigkeitskonzept daher nach den Grenzen der Inanspruchnahme der Biosphäre durch das ökonomische System. Gemäß der ökonomischen Logik muss jeweils in den die Produktion limitierenden Faktor investiert werden. Da bereits jetzt eine Verknappung von Einzelbeständen des Naturkapitals erkennbar ist, ist das Natur- und nicht das Sachkapital der limitierende Faktor. |
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Komplementaritätsthese Komplementarität bedeutet, entsprechend der ökonomischen Theorie, wenn zur Herstellung eines Gutes und zur Bereitstellung einer Dienstleistung ein bestimmtes Verhältnis an Input verschiedener Produktionsfaktoren notwendig ist. In der Regel geht man von limitationalen Produktionsfunktionen aus: Bei einem bestimmten Faktorverhältnis liegt eine Substitutionsmöglichkeit vor. Diese jedoch erfordert eine immer höhere Inputmenge des anderen Faktors, je kleiner der Input des ersten Faktors wird. Das Konzept der starken Nachhaltigkeit sieht weitestgehend eine Komplementarität zwischen Natur- und Sachkapital vor. Die Komplementaritätsthese bezieht sich jedoch nur auf instrumentelle Werte der Natur, die auch tatsächlich in den Produktionsprozess eingeht. |
Constant natural capital rule (CNCR)
Die Schlussfolgerung, der Gesamtbestand an Naturkapital sollte konstant erhalten werden, bzw. die Ergänzung um eine Investitionsregel (zukünftig verstärkte Investition in Naturkapital) leitet sich ab aus der Komplementaritätsthese, der Verpflichtung zur intergenerationellen Gerechtigkeit, sowie der Diagnose eines sich geschichtlich verändernden Musters an Knappheit (zunehmende Knappheit an Natur- und nicht an Sachkapital). Die Komplentaritätsthese ist somit funktional auf das CNCR bezogen; das CNCR hingegen ist die oberste Regel nachhaltiger Entwicklung. Aus dem CNCR können verschiedene Management-Regeln abgeleitet werden. |
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In der Ethik und Normlogik gilt als allgemein anerkannt gilt, dass sich aus unterschiedlichen Prämissen die gleiche Konklusion ergeben kann, d.h. in diesem Fall das CNCR als oberste Regel nachhaltiger Entwicklung. |
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2.3.2 Substitution Es ist jedoch fraglich, ob die Substitutionselastizität generell σ = 0 gesetzt werden muss, wie von Vertretern der starken Nachhaltigkeitskonzeption verlangt wird. Zum Einen gibt es viele exemplarische Fälle einer erfolgreichen Substitution von Natur- durch Sachkapital, zum Anderen kann kultiviertes Naturkapital oft ökologische Funktionen von Naturkapital übernehmen. Eine Konsequenz aus dieser Feststellung wäre, spezifische Substitutionselastizitäten fallweise empirisch zu ermitteln (vermittelnde Nachhaltigkeitskonzeptionen). Die differenzierte Festlegung einzelner Substitutionselastizitäten ist dennoch mit dem CNCR vereinbar, da, auch im Falle einer modifizierten Komplementaritätsthese, andere Argumente zugunsten des CNCR angeführt werden können (43). |
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Eudaimonistische Argumentation in der Umweltethik Während sich die Komplementaritätsthese nur auf die instrumentellen Werte der Natur, die auch in die Güterproduktion eingeht, bezieht, stellt sich, von einer eudaimonistischen Ethikkonzeption aus betrachtet, noch eine ganz andere Frage: Nicht nur, ob Natur- durch Sachkapital substituieren kann, sondern, ob diese Substitution überhaupt gewollt werden soll. Entscheidend ist bei dieser Argumentation nicht die Rolle des Naturkapitals im Produktionsprozess, sondern seine Bedeutung für das soziale, geistige und kulturelle Leben insgesamt. Eudaimonistische Werte der Natur beziehen sich auf naturästhetische Erfahrungen, Heimatverbundenheit, Erholung etc. Im Vergleich mit der schwachen Nachhaltigkeit argumentieren Vertreter starker Nachhaltigkeitskonzeptionen nicht nur deontologisch, sondern auch nach eudaimonistischen Wertekategorien. Ökonomische Prozesse werden somit in die Komplexität des ökologischen, sozialen und kulturellen Lebens eingebettet. Als Konsequenz aus dieser Argumentation ergibt sich jedoch eine eingeschränkte Formalisierbarkeit, da die angeführten Wertekategoien nicht immer unmittelbar monetarisierbar sind. |
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2.3.3 Kritik am Konzept starker Nachhaltigkeit Die starke Nachhaltigkeitskonzeption wird vor allem dahingehend kritisiert, dass sie Natur: (1) statisch konservieren würde. Die hohe innere Dynamik natürlicher Systeme mache eine "Konservierung" jedoch unmöglich. (2) den "bedingungslosen Erhalt" jeder Spezies fordern würde. Diese Forderung sei moralisch kontraintuitiv, da dann viele Konflikte zu Ungunsten menschlicher Bedürfnisse entschieden werden müssten. Die Konzeption starker Nachaltigkeit sei somit tendenziell inhuman und misanthropisch. Zu (1): Dieser Einwand ist nicht zutreffend, da das CNCR keine statische Konservierung einzelner Naturbestände impliziert, sondern bei einer differenzierten Betrachtung des Naturkapitals Spielraum für eine innere Dynamik zulässt. Zu (2): Auch dieser Einwand trifft nicht zu, da die entsprechend dem CNCR bestehende Verpflichtung zum Artenschutz in begründeten Einzelfällen höheren Verpflichtungsgründen untergeordnet werden kann. Somit wird nicht der "bedingungslose Erhalt" einer jeden Spezies gefordert, sondern es besteht eine "prima-facie-Verpflichtung" die bei starken Gegengründen außer Kraft gesetzt werden kann. |
3.1 Geschichte
Im Jahr 1900, Nauru war damals von Deutschland annektiert, wurden umfangreiche und wertvolle Phosphatvorkommen auf der Insel entdeckt. Seither wurden die Phosphatbestände kontinuierlich abgebaut - zunächst unter deutscher, später unter australischer und schließlich unter eigener Flagge. Seit der Verstaatlichung des Phosphatabbaubetriebes 1970 konnten die daraus erzielten Gewinne zu großen Teilen zur Bereicherung der eigenen Bevölkerung genutzt werden. So gab es bis 2001 auf Nauru weder Steuern, noch zahlungspflichtige medizinische Versorgung. Zwischenzeitlich erwirtschaftete die Republik weltweit das zweithöchste Pro-Kopf-Einkommen. Die Bewohner, die größtenteils nicht notwendigerweise erwerbstätig sein mussten, waren in der Lage, Luxusgüter aus Australien anzuhäufen, der Staat leistete sich eine eigene Fluggesellschaft. Die Folge des schnell gestiegenen Wohlstandsniveaus war u. a. die starke Verbreitung von Wohlstandskrankheiten wie Alkoholismus und Diabetes. Im Sinne einer nachhaltigen Wirtschaft bildete die Regierung aus den Überschüssen einen Kapitalfond, der mit Erscheinen auf ca. 1 Mrd. $ wert war und auf internationalen Kapitalmärkten und in Immobilien angelegt wurde. Die daraus erwirtschafteten Zinsen wären theoretisch ausreichend, den Lebensstandard der 13.000 Nauruer langfristig abzusichern. Die Situation Naurus kippte jedoch um 2001 ins Gegenteil. Seit 2000 wurde aufgrund der allmählichen Erschöpfung des Vorkommens nur noch wenig Phosphat abgebaut. Wenngleich noch immer knapp die Hälfte der Erwerbstätigen (dies sind vor allem Gastarbeiter) im Phosphatbergbau arbeitet, ist es nicht mehr möglich, allein dadurch den Wohlstand zu erhalten. Zudem ging ein Großteil des angelegten Kapitals durch korrupte Finanzgeschäfte und Fehlinvestitionen verloren. Nauru lebt heute in potentieller Armut und versucht, sich durch Geschäfte mit Australien zu finanzieren. So fungiert die Insel als "Gefängnis" für inhaftierte afghanische, pakistanische und irakische Flüchtlinge, die in Australien Asyl suchen. Möglicherweise wird Nauru in Zukunft als Endlager für australischen Atommüll genutzt. Des Weiteren hofft die Regierung auf Entschädigungszahlungen von Australien für die Ausbeutung der Insel zwischen dem ersten Weltkrieg und der Unabhängigkeit 1968. Nauru verfügt abgesehen vom Phosphat über keine anderen exportfähigen Ressourcen, selbst die Versorgung der eigenen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist nicht möglich. |
Inhaltsverzeichnis (48) Nauru hatte den höchsten Nachhaltigkeitsindex (Vgl. Atkinson et al. 1997: 69 ff.) (49) Döring, R. - Wie stark ist schwache, wie schwach starke Nachhaltigkeit? Diskussionspapier 08/2004 (50) Aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Nauru, 28.02.2006 (51) Scherhorn, G., 2004: Natur und Kapital: Über die Bedingungen nachhaltigen Wirtschaftens. In: Natur und Kultur, Jg. 5, S. 70 |
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3.2 Aspekte der schwachen und der starken Nachhaltigkeit Im Sinne der schwachen Nachhaltigkeit müßte Nauru als nachhaltigstes Land der Welt eingestuft werden (48). Entsprechend dem Substitutionsprinzip wurde (fast) das gesamte Naturkapital durch Sachkapital substituiert und gewinnbringend angelegt. "Von den erreichten Zinseinnahmen wurden etwa 1/3 gespart, so dass der "Genuine Saving"-Index bei 33" (49) also vergleichsweise hoch lag. Theoretisch wäre der angelegte Kaptitalfond also nicht nur ausreichend, die jetzige Generation zu versorgen, sondern zugleich die Entschädigung zukünftiger Generationen für das verbrauchte Naturkapital. Gerade hier aber zeigt sich die Schwäche des Systems, nämlich die Empfindlichkeit immaterieller Güter. Ein ausschließlich auf finanziellem Kapital basierender Kapitalstock wie der Naurus ist höchst anfällig für Korruption, Fehlinvestitionen und wirtschaftliche Krisen. Ein Wirtschaftssystem, das sich komplett auf Kapitalerträge stützt, funktioniert langfristig nur, wenn kontinuierlich optimal spekuliert wird und wirtschaftliche Krisen durch breite Streuung der Investitionen überbrückt werden können. Im Falle Naurus allerdings genügten schon vergleichsweise kleinere Fehlinvestitionen, um das Land finanziell zu ruinieren. "Beispielsweise finanzierte der Staat ein erfolgloses Musical in London, das nach der Premiere sofort abgesetzt wurde, oder man leistete sich einen überflüssigen Ableger der "University of South Pacific" (50). Selbst wenn die Erlöse zukunftssicher investiert worden wären und Nauru den Wohlstand hätte langfristig erhalten können, ist dennoch das Substitutionsprinzip nicht tragfähig. Die Insel hat prinzipiell keine Möglichkeit die Bewohner autark zu versorgen, sie ist auf die globale Arbeitsteilung angewiesen. Nauru wäre nur unter der Voraussetzung nachhaltig bewohnbar, dass die Möglichkeit des Imports lebensnotwendiger Güter aus anderen Staaten gesichert ist. Eine weltweite Substituierung von Naturkapital, sprich eine Verallgemeinerbarkeit des Konzepts schwacher Nachhaltigkeit ist demnach nicht denkbar. "Die internationale Arbeitsteilung, von der Nauru profitiert, kann aber nicht funktionieren, wenn überall das Naturkapital aufgezehrt wird. Je mehr Naurus es gibt, desto knapper wird das Naturkapital auf der Erde. Dass auf Nauru das Naturkapital durch Finanzkapital substituiert wird, kann nur solange Erfolg haben, wie Nauru eine Ausnahme bleibt" (51). Wie aber hätte sich Nauru entwickelt, wäre man dem Konzept der starken Nachhaltigkeit gefolgt? Das Folgende ist bloße Spekulation und dient im Wesentlichen der Illustration starker Nachhaltigkeit. Grundsätzlich hätte man auf einen gänzlichen Abbau des Phosphats verzichten müssen. Wenngleich sich das Phosphatvorkommen selbst schwerlich bewirtschaften lässt, hätte dennoch zumindest der "kritische Bestand" den kommenden Generationen erhalten bleiben müssen. Auch heute noch nutzen viele Meeresvögel Nauru als Nistplatz und hinterlassen große Mengen Guano, aus dem das Phosphat gewonnen wird. Allerdings wurden im 20. Jh. Bestände abgetragen, die sich im Laufe von Jahrmillionen gebildet hatten. Da von den "Zinsen" des Phosphatabbaus allein die nauruische Bevölkerung demzufolge nicht hätte leben können, wäre man zwangsläufig verstärkt auf andere Wirtschaftszweige ausgewichen. Ebenso hätte ein derartig schneller Umschwung aus der Armut in den Wohlstand und wieder zurück in die Armut unter Gewährung der starken Nachhaltigkeit nicht stattgefunden, da sich die Wirtschaft deutlich langsamer und kontinuierlicher hätte entwickeln können. Wichtig ist an dieser Stelle, noch einmal auf die Forderung nach intergenerationeller Gerechtigkeit hinzuweisen. Auf Nauru wurde faktisch das gesamte Vermögen der Insel innerhalb einer Generation aufgezehrt. Die starke Verbreitung von Wohlstandskrankheiten zeigt deutlich, dass diese Generation zwar vom erreichten Wohlstand profitieren, allerdings nicht "gesund" damit umgehen konnte. Die Notwendigkeit des Besitzes von zwei bis drei Autos und einem Motorboot je Einwohner bei nur 29 Kilometern asphaltierter Straße ist jedenfalls sehr zweifelhaft. So liegt es auf der Hand, dass die nauruische Regierung zum einen deutlich mehr Kapital hätte ansparen können. Zum anderen wären nach starker Nachhaltigkeit vor allem zukunftsfähige Neuinvestitionen auch in Naturkapital notwendig gewesen. |
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4. Björn Lomborg Ein Großteil der ökonomischen Nachhaltigkeitsstrategien und -theorien lassen sich also auf einer imaginären Skala zwischen starker und schwacher Nachhaltigkeit einordnen und so miteinander vergleichen. Es soll nun ein Ansatz von Nachhaltigkeit vorgestellt werden, der in diese Kategorisierung nicht hineingehört - einerseits, weil er andere Ziele verfolgt und andererseits, weil er der gängigen Meinung über die ökologische und soziale Situation der Menschheit widerspricht. Gemeint ist die Strategie von Björn Lomborg, laut Time Magazine einem der 100 einflussreichsten Menschen der Welt. |
5. Schlussbetrachtung Wir haben uns eingangs die Fragen gestellt, ob mit dem Begriff "Nachhaltigkeit" stets die gleichen Inhalte bezeichnet werden oder ob unter diesem Etikett ganz verschiedene Problematiken und Themen versammelt sind. Und ob diese Themen in eine hierarchische Ordnung gebracht werden können. Nach der Darstellung der gerechtigkeitstheoretischen Grundlagen, der Erläuterung verschiedener Argumentationsketten sowie eines Fallbeispieles dürfte klar sein, dass der Begriff "Nachhaltigkeit" hochkomplex ist und sich keine Unterscheidung in "richtige" und "falsche" Positionen treffen lässt. Die Diskussion der Nachhaltigkeitsproblematik umfasst verschiedene Themenfelder, die jeweils unter ganz anderen Vorzeichen behandelt werden. Zwischen den unterschiedlichen Bereichen können Konflikte entstehen, und zwar sowohl aus inhaltlichen wie aus systematisch-methodischen Gründen. Das liegt daran, dass Nachhaltigkeitsstrategien immer zweckgerichtet sind. Was aber als lohnenswerter Zweck einer Nachhaltigkeitsstrategie betrachtet werden kann, ist nicht von vornherein so klar, wie es das Label der Nachhaltigkeit suggeriert. Wenn also sowohl starke wie auch schwache Nachhaltigkeit sich das Ziel einer guten, lebenswerten Umwelt als Ziel setzen, aber zu Ergebnissen kommen, die sich gegenseitig ausschließen, so ist das kein Wunder. Schon die Prämissen der beiden Theorien sind inkommensurabel: die von der schwachen Nachhaltigkeit postulierte unbegrenzte Substitutionselastizität kann von der starken Nachhaltigkeit nicht akzeptiert werden, da letztere Position auf einem unhintergehbaren Eigenwertigkeit von Naturkapital rekurriert. Auch die Argumentationsweisen der Theorien sind unterschiedlich. Die eudaimonistische Komponente der Argumentationslinie von Vertretern starker Nachhaltigkeit, Ott und Döring eingeschlossen, kann in einer rein deontologischen Argumentation (schwache Nachhaltigkeitskonzeption) nicht reformuliert werden. Nichtsdestotrotz macht die Theorie von Ott und Döring beispielsweise Sinn, um zu praktischen Entscheidungen bei den gegenwärtig anstehenden Fragen zum Umgang mit Ressourcen zu kommen. Der wichtige Punkt ist unserer Meinung nach die Zweckgebundenheit von Theorien nie aus den Augen zu verlieren. Jede Theorie bezieht sich auf einen speziellen Kontext und blendet damit notwendige andere Bereiche aus. Verschiedene Nachhaltigkeitstheorien können verschiedene Probleme unterschiedlich gut lösen, d.h. sie gehen von unterschiedlichen Voraussetzungen aus und sind deshalb nur bedingt miteinander vergleichbar. Das führt zur zweiten Frage, nämlich zur Frage nach der hierarchischen Ordenbarkeit der verschiedenen Nachhaltigkeitstheorien. Ein Vergleich zwischen starker und schwacher Nachhaltigkeit mit der Theorie Björn Lomborgs macht offensichtlich, daß eine Hierarchisierung eben nicht möglich ist. Die Theorien schlagen in ihrer Betrachtung und Wertung vollkommen unterschiedliche Richtungen ein und sind demnach nur innerhalb des eigenen Wirkungsbereiches bewertbar. Schlussendlich bleibt festzustellen, dass keine der Theorien dem Anspruch an die ultimative, allumfassende Nachhaltigkeit bzw. an der Lösung aller Probleme der Menschheit gerecht werden kann. |
Inhaltsverzeichnis |
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6. Quellen Konrad Ott und Ralf Döring, Theorie und Praxis starker Nachhaltigkeit, Marburg 2004 Döring, R. - Wie stark ist schwache, wie schwach starke Nachhaltigkeit? Diskussionspapier 08/2004 Christiane Grefe, Wenn alles immer besser wird. In: DIE ZEIT, 01.08.2002 Scherhorn, G., 2004: Natur und Kapital: Über die Bedingungen nachhaltigen Wirtschaftens. In: Natur und Kultur, Jg. 5, S. 70 Ulrich Schnabel, Die andere Katastrophe. In: DIE ZEIT, 05.01.2006, http://www.copenhagenconsensus.com, 28.02.2006 http://de.wikipedia.org/wiki/Nauru, 28.02.2006 |